Die Totenstädte Kairos

Totenstädte

 

von Heba Fatteen Bizzari

 

 

One of Cairo's Cities of the dead

 

 

 

Naema Zaki und ihre fünf Kinder waren dazu gezwungen, die Friedhöfe der Totenstadt Kairos zu ihrem permanenten Wohnsitz zu machen, da das Land ernsthafte Engpässe im Wohnraumangebot hat. ”Wir kamen hierher, weil die Friedhöfe günstig als Ausgangspunkt sind und kaum Geld kosten. Bald jedoch haben wir festgestellt, dass es nicht nur eine Übergangslösung sein sollte und wir hier bleiben. Die Leute hier sind freundlich und jeder kümmert sich um jeden – anders als im Rest Kairos” sagt Zaki, eine Witwe, die in einem der Gräbräume auf dem nördlichen Friedhof mit ihren Kindern lebt.

 

 

Für die meisten Kaioaner ist die Totenstadt eine mysteröse, düstere Gegend. Viel wissen von der Totenstadt, aber wenige wissen etwas darüber.

 

 

Another view of a Cairo City of the Dead

 

 

 

Rund herum un diese Friedhöfe, die sich unterhalb des Mokattam ausdehenen, lebt eine Gruppe von verarmten Ägyptern, die dort eine zwar illegal, aber tolerierte Parrallelgesellschaft bilden. „Über fünf Millionen Ägypter leben auf und um diese Friedhöfe und haben dort sogar eigene Gewerbe eröffnet“, sagt Malak Yakan, ein Anthropologe und Reiseführer. 

 

 

“Zu der Totenstadt zählen fünf zentrale Friedhöfe; der nördliche Friedhof, Bab el Nasr Friedhof, der südliche Friedhof, der Friedhof der Mächtigen und der Bab el Wazir Friedhof“, sagt Yakan. 

 

 

Vom Salah Salem Highway aus erscheint die Stadt der Toten organisiert und ordentlich, sehr gut in die beige und sandige Gegend um die etwas entferntere Zitadelle herum passend. Einmal in ihrem Inneren kann man sehen, dass dort die Geschichte Kairos über Jahrhunderte hinweg abgelesen werden kann.

 

 

 

Früher war diese Gegend für die Herrscher Kairos eine ruhige Wüstengegend, fernab von dem Tumult der Stadt, die sie für ihre Gräber wählten. „Diese Fläche wurde als Beerdigungsgrund von den arabischen Eroberern, den Fatimiden, Abbasiden, Ayyubiden, Mamluken, Osmanen und viele mehr“, so Ykan.

 

 

 

Der alt hergebrachte Glaube besagt, dass die Friedhöfe Teil des aktiven Soziallebens sind und nicht allein den Toten vorbehalten sein sollen. „Ägypter haben über Friedhöfe nie so sehr als Totenstädte gedacht, sondern mehr als Orte, wo Leben beginnt“, erzählt Yakan. Heutzutage, wegen des akuten Wohnraummangels in Ägypten und dem Fehlen von funktionierenden und bezahlbaren Behausungen auf Grund der stark anwachsenden Bevölkerung, sind viele Ägypter dazu übergegangen, die Räume der Gräber als permanente Wohnungen zu benutzen.

 

 

Walking with the dead

 

 

 

Sie haben die Räume nach ihren Bedürfnissen ausgestattet. Die Grabsteine werden zu Tischen und Regalen. Zwischen den Türen und Gittern hängen Leinen, auf denen die Wäsche getrocknet wird. 

 

“Wir haben uns Zugang zu Elektrizität über Kabel verschafft, die wir von den Dächern der nahe gelegenen Moschee zu uns hin verlegt haben – nur so können wir angemessen leben“, berichtet die Witwe Zaki.

Für ihre Bewohner ist die Totenstadt beinahe ideal: Sie ist bereits gebaut, finanziell machbar und teilweise sogar eingerichtet. Doch es hat viele Nachteile dort zu leben. „Es gibt hier mehr Kakerlaken, Stechmücken, Fliegen und Schädlinge aller Art“, schreibt Nedoroscik in „The City of the Dead, A Hisotry of Cairo’s Cemetery Communities“. In den Räumen steht daneben ein überwältigender Geruch von Müll, der vor ihren Türen lagert und von dem Abwasser, das aus den leckenden Tanks tropft.

 

Zusätzlich sind die “Bewohner der Totenstadt unsicher über ihren Aufenthaltsstatus, den eigentlich leben sie dort entgegen des geltenden Rechts“, gibt Yakan an. Es wurde damals durch die französische Besatzung von 1978 bis 1801 ausgelöst, dass sich das Bild der weitflächigen Friedhöfe der Totenstadt änderte. „Eine mehr „westliche“ Haltung gegenüber den Friedhöfen, etablierte sich in der ägyptischen Gesellschaft. Dadurch wurde die Präsenz von Menschen, die in der Totenstadt lebten und wohnten, ignoriert, verurteilt und als Schande für die Stadt von vielen Kairoanern gesehen“, schreibt Nedoroscik. Die Friedhöfe der Totenstadt kommen aber der westlichen Idee von einem Friedhof nicht nahe, denn traditionell werden die Toten der Ägypter in Zimmer ähnlichen „Beerdigungs-Gegenden“ untergebracht, in denen sie während der langen Trauerzeit von 40 Tagen auch leben konnten.

 

 

Heute wächste die Bewohnerzahl der Totenstadt aber permanent, denn noch immer findet eine Land-Stadt Migration statt, die die schlechte Wohnsituation in Kairo noch verstärkt.  

 

Die Zukunft der Totenstadt bleibt ungewiss. Die Bewohner werden nicht einfach zustimmen, von der Regierung vertrieben zu werden – solange diese keine Alternative bietet.

“Ich werde dieses Haus nicht verlassen, nachdem so viele Jahre auf der Straße gelebt habe”, sagt Zaki, “Natürlich würde ich dem schlechten Klima dieses Ortes gerne entfliehen – aber das heißt nicht, dass ich in der Staße leben möchte. Wir verdienen eine angemessene Behausung.“